#EuropeDay 2023 – AMIF 2021-2027 – Projekte in Deutschland , Datum: 09.05.2023, Format: Meldung, Bereich: Projekte

Zur Feier des Europatags 2023 stellen wir Ihnen Projekte aus den Bereichen Asyl, Integration und Rückkehr vor, die durch den europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) in Deutschland gefördert werden.

Der Europatag wird jedes Jahr am 9. Mai für Frieden und Einheit in Europa begangen. Er markiert den Jahrestag der Schuman-Erklärung, in der Robert Schuman seine Idee für eine neue Form der politischen Zusammenarbeit in Europa vorstellte, die einen Krieg zwischen den Nationen Europas undenkbar machen sollte. Robert Schumans Vorschlag gilt als Geburtsstunde dessen, was wir heute die Europäische Union nennen.

Der AMIF 2021-2027 fördert mit rund 1,5 Mrd. Euro Projekte von staatlichen und privaten Trägern in den Bereichen Asyl, Migration, Integration, Rückkehr und europäische Solidarität.

Asyl

Zum Förderschwerpunkt Asyl führen die Uniklinik Heidelberg und die Universität Bielefeld das Projekt "PROTECT-ING- IT-gestützte Verfahren zur Schutzbedarfsidentifizierung und -dokumentation" durch.

Ziel des Projekts ist die Entwicklung und Pilotierung einer datenschutzkonformen technologischen Infrastruktur zur evidenzinformierten Identifizierung und digitalen Dokumentation besonderer Schutzbedarfe von geflüchteten Menschen in Aufnahmeeinrichtungen.
Die Identifizierung besonderer Schutzbedarfe von geflüchteten Menschen ist zentral für die Gewährung adäquater gesundheitlicher Versorgung und Unterbringung, sowie für das Asylverfahren.
Im Rahmen der dreijährigen Projektlaufzeit soll eine technologische Infrastruktur entwickelt werden, die die strukturierte Identifizierung besonderer Schutzbedarfe unterstützt und Schnittstellenkommunikation und Informationsbrüche in einem fragmentierten Aufnahmesystem überwindet. Hierdurch werden Maßnahmen zur adäquaten Unterbringung und bedarfsgerechten Versorgung sowie der Berücksichtigung besonderer Schutzbedarfe im Rahmen des Asylverfahrens technologisch unterstützt.
Für das Vorhaben kooperiert die Sektion Health Equity Studies & Migration am Universitätsklinikum Heidelberg mit der AG 2 Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung der Universität Bielefeld.
Um geeignete Methoden, Instrumente und Konzepte einer strukturierten Erfassung von besonderen Schutzbedarfen zu identifizieren, werden systematische Literaturübersichten erstellt und Experteninterviews (national sowie in EU-Ländern) durchgeführt.

Im Rahmen der Anforderungsanalyse werden die Perspektiven relevanter Akteure (Behörden, Fachkräfte und Drittstaatsangehörige in Aufnahmeeinrichtungen und ihre Selbstorganisationen/Interessensvertretungen) auf inhaltliche, technische, organisatorische, funktionale und (datenschutz-) rechtliche Nutzungsanforderungen für eine strukturierte Identifizierung sowie digitale Dokumentationsstruktur und Interoperabilität erfasst.
Die Erkenntnisse fließen in die Entwicklung eines passgenauen Softwaremoduls ein, welches in eine bereits bestehende Dokumentationssoftware integriert werden kann sowie als stand alone-Lösung funktional ist. Aspekte der Interoperabilität und der datenschutzkonformen Weitergabe von Dokumentationsergebnissen werden bei der Technologieentwicklung berücksichtigt.
Das entwickelte Softwaremodul wird an bis zu fünf ausgewählten Standorten in drei Bundesländern pilotiert. Mitarbeitende der Pilotstandorte erhalten eine Schulung im Umgang mit dem Softwaremodul und werden durch den Aufbau der IT-Infrastruktur sowie während der Nutzung unterstützt.
Die Pilotierung in ausgewählten Einrichtungen wird mittels quantitativer und qualitativer Methoden evaluiert. Im Rahmen der qualitativen Evaluation werden relevante Akteure zu Beginn und zum Abschluss der Pilotierungsphase befragt. Quantitative Auswertungen erfolgen primär auf Grundlage von routinemäßig erhobenen Daten. Zu diesem Zweck wird ein Indikatorensatz entwickelt, der im weiteren Verlauf ein einrichtungsspezifisches und -übergreifendes kontinuierliches Monitoring und Reporting relevanter Aspekte einer strukturierten Schutzbedarfsidentifikation ermöglicht.

Integration

Johanna Karpenstein und Lennart Scholz vom BumF e.V. begrüßen die ca. 100 Teilnehmenden der BumF-Frühjahrstagung 2023. Die Fachkräfte und ehrenamtlich tätigen teilnehmenden Personen befassen sich auf der Tagung beispielsweise mit Grundlagen der Unterstützung von unbegleiteten Minderjährigen oder mit den Herausforderungen der Alterseinschätzung. Quelle: Anna Weber

Das Projekt "Kindgerechtes Ankommen sicherstellen! Stärkung des Ankunfts-, Unterstützungs- und Integrationssystems unbegleiteter Minderjähriger!" ist ein Kooperationsprojekt von terre des hommes Deutschland e.V. und dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. (BumF). Das Projekt stärkt das Ankunfts-, Aufnahme- und Unterstützungssystem der schutzbedürftigen Gruppe der unbegleitet einreisenden Minderjährigen durch eine Stabilisierung der Arbeits- und Kommunikationssysteme der mit ihnen befassten Akteurinnen und Akteure. Die durch das Projekt qualifizierten und vernetzten Personen tragen so wirksam zu einer gelingenden und nachhaltigen Integration und zur sozialen Inklusion von minderjährigen Drittstaatenangehörigen bei.
Mit unbegleitet einreisenden Minderjährigen befasste Fachkräfte und Ehrenamtliche benötigen Unterstützung, Beratung und Qualifizierung in ihrer Arbeit. Zudem benötigen sie Wissen über gesetzgeberische und verordnungserlassende Entscheidungsstrukturen. Die Kinder und Jugendlichen benötigen Stärkung – auf individueller Ebene sowie indirekt über die im Projekt erreichten Institutionen und Organisationen. Das Projekt reagiert auf verschiedene Bedarfe. Zusätzlich zu den Minderjährigen unter anderem aus den Hauptherkunftsländern Afghanistan, Syrien, Somalia, Guinea und Irak reisen aufgrund des russischen Angriffskriegs überproportional viele ukrainische Minderjährige sowie minderjährige Alleinreisende aus Drittstaaten aus der Ukraine nach Deutschland ein, darunter auch Waisenkinder. Deren Bedarfe und Rechte auf Versorgung und Unterstützung sind individuell zu ermitteln. Die mit ihnen betrauten Fachkräfte werden im Projekt entsprechend bedarfsorientiert beraten. Die steigenden Einreisezahlen von jungen Drittstaatenangehörigen treffen auf ein überlastetes Ankunftssystem. In der Netzwerkarbeit und Beratungspraxis von terre des hommes Deutschland e.V. und des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. zeigt sich, dass gegenwärtig vermehrt Fachkräfte eingestellt werden, die aufgrund des insgesamt sehr großen Fachkräftemangels in der Kinder- und Jugendhilfe über geringe bis keine geeignete Qualifizierung verfügen. Es gibt vielerorts wieder Notunterbringungen für unbegleitete Minderjährige, Schwierigkeiten beim Zugang zur Asylberatung und Verzögerungen beim Zugang zu Bildung. Das Projekt reagiert darauf beispielsweise mit Schulungen sowie mit einer Stärkung des Fachdialogs.
Ein qualifiziertes Ankunfts- und Unterstützungssystem erleichtert die soziale Teilhabe von zugewanderten Kindern und Jugendlichen von Beginn an. Das Projekt erreicht die jungen Menschen indirekt und zielt als Strukturmaßnahme auf die mit ihnen befassten Akteursgruppen, Institutionen und Organisationen. Denn eine Qualifizierung der Unterstützungssysteme der minderjährigen Drittstaatenangehörigen im Hinblick auf die Phasen von Übergängen, von der Einreise zum Ankommen (Erstintegration) sowie insbesondere beim Eintritt der Volljährigkeit, trägt zur nachhaltigen Absicherung einer gleichberechtigten Teilhabe in der Aufnahmegesellschaft bei.

"Anker auf!"-Projektillustration Quelle: Lebenswerft GbR

Ebenfalls zum Förderziel Integration führt die "Lebenswerft" für Menschen mit Migrations- und/oder Fluchthintergrund aus einem Drittstaat das Projekt "Anker auf!" durch.
Die Lebenswerft ist ein kleiner, lokaler Träger im Kreis Rendsburg-Eckernförde, der sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen individuell und niedrigschwellig bei der Teilhabe in der Gesellschaft zu unterstützen und zu begleiten. Aus der kritisch-internen Reflexion der Arbeit heraus entstand die Motivation für das Projekt "Anker auf!". Die Lebenswerft legt einen Schwerpunkt auf eine individuelle, intensive und professionelle Unterstützung von Teilnehmenden, die durch eine langfristige Betreuung in Einzelsettings gewährleistet wird. Durch die Möglichkeit der langfristigen Angliederung können in vertrauensvollen Beratungssettings individuelle Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe thematisiert und Bewältigungsstrategien eingeleitet werden. In den Gesprächen wird die Integration der Teilnehmenden gefördert und auf kulturelle und gesellschaftliche Gegebenheiten vorbereitet. So erfahren die Teilnehmenden beispielsweise eine individuelle Sprachunterstützung, bei der ihnen neben kontextgebundenen Alltagsbereichen (wie Arztbesuchen, Behördengänge, Elternabende, etc.) auch individuelle Unterstützungsangebote eröffnet werden.
Ein methodischer Aspekt kann für das Realisieren dieser Lebensweltorientierung die aufsuchende Arbeit sein, sodass Teilnehmende nicht nur in ihrer alltäglichen Lebensumgebung aufgesucht werden, sondern auch – bei Bedarf – zu Zeiten, die dem jeweiligen Rhythmus der Teilnehmenden entsprechen.
Während des Projektverlaufs werden die Teilnehmenden in ihrer eigenen Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum gefördert. So werden Begehungen öffentlicher und behördlicher Instanzen gemeinsam erprobt sowie die Teilnehmenden in der selbstständigen Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs geschult.

In dem Projekt "Anker auf!" arbeiten die Mitarbeitenden lebensweltorientiert, wodurch die Teilnehmenden und die gesellschaftlichen Strukturen ganzheitlich betrachtet werden. So können Teilnehmende auch das niedrigschwellige Angebot der Gesundheitsorientierung nutzen, welches zur Stärkung des eigenen Ichs sowie der eigenen Resilienz dient.
Da ein Schwerpunkt des Projekts auf der Förderung der Sprachkompetenzen liegt, wird das Coaching ohne externe Sprachmittlenden durchgeführt. Lediglich in komplexen Situationen werden interne Sprachmittlende hinzugezogen. So entsteht bei dem/der Einzelnen eine Vertrautheit und Sicherheit, die vorhandenen Deutschsprachkenntnisse zu nutzen und zu vertiefen.
Das Projekt wird im Rahmen des internen Qualitätsmanagements fortlaufendend evaluiert, welches der internen und extern möglichen Überprüfung und Qualitätssicherung der Arbeit dient. Durch die Laufzeit des Projekts ist es möglich, die Arbeit und die Ergebnisse stetig zu veröffentlichen und weitere Akteurinnen und Akteure in der Arbeit mit Menschen mit Migrations- und/oder Fluchthintergrund für diese Form der Arbeit zu gewinnen.

Rückkehr

Mitarbeitende der Rückkehrberatung: Gabriele Ulsamer, Dr. Sadik Hassan und Zeinab Meslmani-Hauser (v.l.n.r.) Quelle: Ursula Schneider

Der DRK-Landesverband Badisches Rotes Kreuz e.V. führt im Förderschwerpunkt Rückkehr das Projekt "Perspektiv- und Rückkehrberatung im DRK" durch. Der nachfolgende Bericht aus der Praxis zeigt die vielfältigen Aufgaben der Rückkehrberatenden des DRK:

Herr S. (76 Jahre), seit 30 Jahren in Deutschland lebend und Inhaber einer Niederlassungserlaubnis, hatte bereits seit vier Jahren den Wunsch, so schnell wie möglich in sein Herkunftsland Irak zurückzukehren, wusste aber nie wie er das umsetzen könnte. Im Herbst 2022 wandte er sich an einen ehrenamtlichen Helfer aus der irakischen Community, Herrn Dr. Sadik Hassan, welcher in seinem Namen Kontakt mit der Perspektiv- und Rückkehrberatung des DRK Kreisverband Freiburg e.V. aufnahm und Herrn S. im gesamten Rückkehrprozess zur Seite stand.
Schnell stellte sich die Komplexität der Anfrage heraus. Herr S. ist Analphabet, spricht und versteht kaum Deutsch, ist nach einem Schlaganfall stark eingeschränkt, kann kaum gehen und besitzt keine irakischen Papiere. Aus diesen Gründen fand die Beratung im Rahmen von mehreren Hausbesuchen statt.
In den folgenden Wochen begleiteten und unterstützten die DRK- Rückkehrberaterinnen Herrn S. in vielen Einzelschritten. Dazu zählte zunächst seine Kontaktaufnahme mit der Familie im Irak, um von dort einen Identitätsnachweis zu erhalten. Anschließend organisierten sie die Beschaffung eines Reisedokuments, stellten mit Herrn S. einen IOM-Antrag als MEDA-Fall (medical assistance) und kümmerten sich darum, dass er ausreichend Medikamente und Hygieneartikel für die erste Zeit im Irak erhielt.
Diese Tätigkeiten waren zeitaufwendig und erforderten viel Energie und Geduld von allen Beteiligten. Um in diesem komplexen Fall eine optimale Kommunikation zu gewährleisten, richteten die Rückkehrberaterinnen einen "Runden Tisch" mit den Ehrenamtlichen/Community-Helfern, dem gesetzlichen Betreuer und dem Pflegedienst ein. Gemeinsam stimmten sie die notwendigen Schritte ab und stellten kurz vor Abreise sicher, dass alle notwendigen Reisevorbereitungen getroffen wurden.
Als Herr S. im März 2023 ausreiste, war der Abschied für ihn und seine Ehrenamtlichen/Community-Helfer sehr emotional. Mittlerweile ist er jedoch wieder gut bei seiner Familie in Bagdad angekommen und glücklich, zu Hause zu sein.